Ein ehrgeiziges Ziel und ein glaubwürdiger Kontrollmechanismus, das sind die Kernstücke des neuen Klimaschutzgesetzes, das am vergangenen Freitag vorgestellt wurde. Dieser Beitrag fasst das Gesetz zusammen, ein zweiter Online-Artikel wirft einen kritischen Blick darauf.
Richtigstellungen zu verfassen, ist im Allgemeinen ärgerlich – die Zeitung muss zugeben, dass sie ungenau recherchiert oder vorschnell Schlussfolgerungen gezogen hatte. Manchmal ist es trotzdem erfreulich, wie im vorliegenden Fall: In der Printausgabe von vergangenem Freitag stand zu lesen, die Regierung habe den Abschluss der Arbeiten am Klimagesetz ins nächste Jahr verschoben. Das stimmt so nicht ganz: Der Projet de loi wurde am gleichen Freitagvormittag vom Regierungsrat angenommen. Zwar nur ein vorläufiger Abschluss, denn das Gesetz muss jetzt die legislativen Prozeduren durchlaufen – aber immerhin ein Abschluss. Nachmittags um 14.30 Uhr fand eine Pressekonferenz statt, die Einladung war um viertel nach zwölf verschickt worden. Auch das Pressedossier war mit heißer Nadel gestrickt und im 22. Stock des Hochhauses, dem Sitz des Umweltministeriums, war nicht einmal Zeit gewesen, Kaffee zu kochen – nicht nur die woxx war vom Ergebnis des Regierungsrats überrascht worden.
Nicht nur, dass nun ein Gesetzestext zum Klimaschutz vorliegt, ist erfreulich, auch das, was vom Inhalt bekannt ist, nimmt sich nicht schlecht aus. „Die Regierung erkennt die ‚urgence climatique‘ an“, so Carole Dieschbourg. Die Umweltministerin unterstrich, dass Luxemburg mit dem Gesetz sein CO2-Ziel für 2030 auf eine Reduktion von 55 Prozent gegenüber 2005 erhöhe. Claude Turmes sprach von einem Quantensprung angesichts der bisher vorgesehenen 40 Prozent. Der Energieminister erinnerte an die rezenten wissenschaftlichen Berichte und Aufrufe – er halte sich und seiner Kollegin zugute, dass sie die Regierung auf den richtigen Weg gebracht hätten.
CO2-Ziel und Flexible Mechanismen
In der Tat hatte sich Luxemburg im europäischen Rahmen bisher zu einer geringeren Senkung verpflichtet. Ja, auch die neue Regierung mit stärkerer grüner Präsenz hatte bisher nur ein Ziel zwischen 50 und 55 Prozent angekündigt (siehe online-woxx von März 2019). Mit dem jetzt festgelegten Wert bewegt sich Luxemburg am oberen Ende dessen, was für die EU insgesamt derzeit ins Auge gefasst wird. Allerdings halten Wissenschaftler*innen und NGOs mittlerweile Senkungen von 65 bis 70 Prozent in den industrialisierten Ländern bis 2030 für notwendig, damit der Temperaturzuwachs unter 1,5 Grad bleibt.
Das vorgegebene Ziel soll auf fünf Sektoren aufgeteilt werden: Industrie und Bauwesen, Verkehr, Gebäude, Land- und Forstwirtschaft sowie Abfallwirtschaft. Die jährlich anzustrebenden Emissionssenkungen werden per Règlement grand-ducal festgelegt. Zahlen konnten die beiden Minister*innen nicht nennen, doch sie gehen davon aus, dass zum Beispiel der Verkehr mehr als 55 Prozent leisten könne, die Landwirtschaft dagegen weniger. Hier wolle man eine Flexibilität zwischen den Sektoren zulassen, so Dieschbourg. Zum Rückgriff auf „Flexible Mechanismen“ auf internationaler Ebene hielten sich die Minister*innen dagegen bedeckt (siehe auch woxx-Analyse: „Klimagesetz: Was warum (nicht) drinsteht“).
Soziale Gerechtigkeit beim Klimaschutz
„Wir werden jedes Jahr überprüfen, ob jeder in seinem Sektor ordentlich gearbeitet hat“, kündigte Carole Dieschbourg an. Falls nicht, seien zwar keine Sanktionen vorgesehen, jedoch die Verpflichtung, ergänzende Maßnahmen vorzulegen. Für die Kontrolle soll ein interministerielles Koordinationskomitee zuständig sein. Außerdem wird ein wissenschaftlich orientiertes „Observatoire du climat“ geschaffen sowie eine „Plateforme pour l’action climat“. In Letzterer soll die Zivilgesellschaft mitarbeiten, insbesondere Umwelt-NGOs, Gewerkschaften, Arbeitgeberschaft und NGOs aus dem sozialen Sektor. Die Umweltministerin versicherte, wenn die sozial Schwächeren durch den Klimaschutz besonders belastet würden, werde man Kompensationen vorsehen.
Besonders stolz waren Dieschbourg und Turmes darauf, im Gesetz verankert zu haben, dass man nicht auf Atomenergie zurückgreife, um die Klimaziele zu erfüllen. „Dabei geht es auch um die künftige Taxonomie“, so Claude Turmes. Frankreich versuche derzeit auf EU-Ebene, Kernreaktoren als Beitrag zum Klimaschutz kategorisieren zu lassen. Trotz heftigen Drucks halte Luxemburg an seiner Anti-Atom-Linie fest.
Der Energieminister stellte auch eine weitere Pressekonferenz für kommenden Freitag in Aussicht: Dann soll der „Nationale Klima- und Energieplan“ vorgestellt werden, der vormittags im Regierungsrat diskutiert wird. Mit diesen beide Dokumenten im Gepäck hoffen die Luxemburger Minister*innen als Vorreiter*innen dazustehen, wenn sie zur zweiten Woche der Klimakonferenz nach Madrid reisen. Die woxx unterzieht in einem weiteren Beitrag den „Quantensprung“ in der Klimapolitik einer kritischen Betrachtung: „Klimagesetz: Was warum (nicht) drinsteht“.
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