Klimanotstand 3/3: Der wirkliche Fehler der Grünen

Verrat wird Déi Gréng und der LSAP vorgeworfen, weil sie die Klimanotstand-Resolution abgelehnt haben. Das ist übertrieben, aber eine abgeschwächte Gegenmotion vorzulegen, war unklug.

„Big fucking Fail“, so qualifizierte die Partei Déi Lénk auf ihrer Facebookseite die Ablehnung ihrer Klimanotstand-Resolution durch die Regierungsmehrheit am 16. Mai in der Chamber. Dass diese Mehrheit eine eigene Motion votierte, die die Dringlichkeit der Klimaproblematik anerkennt, konnte die Déi Lénk nicht trösten: Es handle sich um eine Motion des Status quo, ohne neue Akzente, die der Dringlichkeit nicht Rechnung trage. Der Partei nahestehende Online-Aktivist*innen drückten sich zum Teil heftiger aus, bis hin zum Vorwurf des „Verrats an der Zukunft [der Menschheit]“ seitens der Lyoner Sektion der linksradikalen Struktur Diem25. Im ersten Teil dieser Artikelserie zum Klimanotstand („Wie viel Not in meinem Text?“) haben wir die beiden Texte miteinander verglichen.

Hat „Déi Lénk“ recht, skandalisiert zu sein? Nicht wirklich, denn die Motion der Regierungsparteien enthält, neben viel Eigenlob, auch substanzielle Forderungen, die unter anderem bei der Steuerpolitik über den „Status quo“ hinausweisen. Sie mag nicht besonders radikal sein – weshalb es vielleicht ehrlicher ist, dass sie nur eine abgeschwächte Form der „Climate emergency“ enthält.

Wer würde das Klima verraten?

Doch die wahre Anti-Klima-Partei sind gewiss nicht die Grünen, und auch nicht die LSAP – diese hat sich mit dem Redebeitrag von Franz Fayot sogar unerwartet engagiert gezeigt (siehe „Klimanotstand 2/3: Debatte mit Konsens und Nuancen“). Es waren eher die beiden konservativen Parteien, die argumentierten, die Klimapolitik dürfe nicht zu weit gehen – paradoxerweise legte die CSV dann trotzdem eine klimafreundliche Motion vor.

Für das Image der Regierung und insbesondere der Grünen war das Ganze wohl doch eher negativ. Die Jugendlichen vor der Chamber und auf der Tribüne waren vor Ort, um die Klimanotstand-Resolution zu unterstützen. Der Text der Koalitionsparteien dürfte den wenigsten als äquivalent zum Text von Déi Lénk erschienen sein. So bleibt das Bild, dass die Regierung zwar gegen den Klimawandel kämpfen will, dabei aber vor radikalen Erklärungen – und vermutlich auch Maßnahmen – zurückschreckt.

Politische Verschwörung, politischer Leichtsinn

Von Seiten sozialistischer und grüner Online-Aktivist*innen gab es auch andere Interpretationen. So freute sich Dan Kersch darüber, dass die Jugendlichen sich dem Versuch widersetzt hätten, von Déi Lénk vereinnahmt zu werden. Der LSAP-Minister und ehemalige KP-Aktivist, wollte darin sogar eine trotzkistische Tradition wiedererkennen. Auch in grünen Kreisen wurde die – bescheidene – Mobilisierung der Jugendlichen als Resultat linker Einflussnahme gedeutet. Dabei hatte Déi Lénk nach unseren Informationen die Notstand-Resolution als rein parlamentarische Initiative geplant, die die Regierungsparteien zwingen sollte, Farbe zu bekennen. Nachdem Rise for Climate und Youth for Climate von dem Vorhaben Wind bekommen hatten, entschieden sie, auf Facebook einen Unterstützungsappell zu lancieren (online-woxx vom 14. Mai: „La Chambre menacée par le réchauffement climatique ?“).

Eigentlich war die Initiative von Déi Lénk eine Steilvorlage für die Grünen. Hätten sie eine regierungsfreundliche Motion vorgelegt, die auch den Inhalt der Resolution, insbesondere den Terminus Klimanotstand, wiederholt hätte, sie wären ohne Wenn und Aber die Held*innen des Tages gewesen. Darüber hinaus hätten sie von der Erklärung des Notstandes besonders davon profitiert. Klar, von jedem kleinen Schritt, der die Klimakrise bewusster macht, profitiert die gesamte Menschheit. Doch auf politisch-taktischer Ebene hätte der Klimanotstand, wie das Beispiel Großbritannien zeigt (siehe Guardian-Artikel zur Heathrow-Erweiterung), es den grünen Abgeordneten und Minister*innen erleichtert, bei künftigen Regierungsentscheidungen die Interessen des Klimaschutzes geltend zu machen.

 

Im ersten Teil der Artikelserie wurden die beiden von Déi Lénk und den Regierungsparteien vorgelegten Texte verglichen, im zweiten Teil wurde die Chamber-Debatte analysiert.

Link zu den vier vorgelegten Texten.

Link zum Video der Chamber-Debatte (Punkt 3 der Tagesordnung).


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