Bilanzpressekonferenzen: Zwei linke Hände

Sowohl die LSAP als auch Déi Lénk stehen für linke Politikansätze. Unterschiede gibt es bei der Programmatik, bei der strategischen Positionierung und bei der Beziehung zu den Medien.

Source: Wikimedia; TritonJay; CC BY-SA 4.0 (modified by woxx)

Was sind die Perspektiven für linke Politik in Luxemburg, zehn Jahre nachdem die in die Sackgasse geratene große Koalition von einer Drei-Parteien-Regierung abgelöst wurde? Diese hat zumindest in der Gesellschaftspolitik Fortschritte durchgesetzt, scheint aber ihrerseits in Fragen wie Steuerreform und Wohnungspolitik nicht mehr voranzukommen. Verständlich, dass Yves Cruchten am vergangenen Montag nicht nur die Verdienste seiner Partei aufzählte, sondern auch „das ansprechen, was wir nicht erreicht haben oder nicht umsetzen konnten“. Der LSAP-Fraktionsvorsitzende sprach im Rahmen der traditionellen. vorsommerlichen Bilanzpressekonferenz, bei der es wahlkampfbedingt auch um politische Ausblicke ging.

Auffallend war, dass über die Versicherung hinaus, die Koalition habe gut zusammengearbeitet, auch Seitenhiebe auf die beiden anderen Parteien unterblieben. Wie bereits beim LSAP-Kongress wurde nur die CSV explizit angegriffen und ihr Spitzenkandidat Luc Frieden ins Visier genommen – Cruchten warf ihm mehrere „falsche Behauptungen“ vor. Sätze wie „während andere polemisierten, haben wir gehandelt“ legten den Akzent auf die Effizienz, doch auch die fortschrittliche Ausrichtung der Partei wurde herausgearbeitet. Der Vorsitzende verwies auf die LSAP-Vorschläge zu Steuerreform und Arbeitszeitverkürzung, thematisierte kurz die problematischen Aspekte des Wachstums und plädierte für ein Gleichgewicht zwischen notwendiger Erhöhung der Militärausgaben und einer „übertriebenen Rüstungsspirale“.

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Bezüglich der Wohnungskrise unterstrich Cruchten das jahrzehntelange Engagement der LSAP – erstaunlich, dass sie 2018 die Übernahme des frei gewordenen Ressorts Logement nicht priorisierte. Warum, blieb auch auf Nachfrage der woxx unklar; damals hielt die LSAP an fast allen ihren Ressorts fest und gewann … das Agrarministerium.

Als erstes Thema, bei dem man das Angestrebte nicht erreicht habe, nannte Cruchten die eingeschränkte Cannabis-Legalisierung. Sodann habe die LSAP zahlreiche Initiativen im Sinne der Steuergerechtigkeit ergriffen – auf den Finanzierungsbedarf der ökosozialen Transition bezog er sich nicht. Das Steuerthema war Gelegenheit, die CSV-Vorstöße als leere Wahlkampf-Versprechen zu kritisieren. Doch eigentlich war es ebenfalls eine versteckte Kritik an der DP – abseits der Mikrofone wird auch offen ausgesprochen, dass es die Liberalen sind, die bei sozialen Themen fortschrittlicher Politik im Wege stehen. Interessant war, dass Cruchten in einer persönlichen Anmerkung auf das kontroverse Thema Impfpflicht einging: Die LSAP habe deren Einführung als nicht verhältnismäßig abgelehnt, diese Position mutig gegen die Koalitionspartner durchgesetzt und am Ende Recht behalten.

Déi Lénk gegen alle

„LSAP und Grüne laufen der DP hinterher, für sie gilt: Dabeisein ist alles“, wetterte tags drauf die Abgeordnete Nathalie Oberweis bei der Bilanzpressekonferenz von Déi Lénk. Das könnte man als Plädoyer für Rot-Rot-Grün deuten, wenn da nicht die arithmetische Realität wäre, in der die eindeutig fortschrittlichen Kräfte auf kaum mehr als ein Drittel der Stimmen kommen. Nimmt man hinzu, dass Déi Lénk seit 2013 bestenfalls stagnieren, so wird verständlich, dass sich die Partei nicht, wie die LSAP, nur gegen Frieden in Stellung bringt, nicht einmal nur gegen die DP, sondern gegen die gesamte Regierung, das Establishment, ja, die ganze Welt.

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Das war der Unterton, als die Abgeordnete Myriam Cecchetti darlegte, wie einfach es die Rechten hätten, und wie schwierig es sei, sich als „Linksabbieger“ für alles rechtfertigen zu müssen. Rhetorisch geschickt wiederholte sie „Wir sind so extrem, dass“, gefolgt von einleuchtenden linken Forderungen. Und schloss mit Medienschelte: „Wir werden diskreditiert, indem man unsere Aussagen verdreht, (…) und das nur, weil wir Recht haben.“

Auf die woxx-Frage, warum Déi Lénk als einzige linke Opposition elektoral nicht von der Krisensituation profitieren könne, räumte Cecchetti ein, man habe es nicht geschafft die recht komplexe Botschaft an die Leute zu bringen. Wenige Minuten zuvor hatte der ehemalige Abgeordnete Marc Baum zur Wohnungskrise die vermutlich klügste Analyse aller Bilanzpressekonferenzen vorgetragen, unter Verweis auf das höchst technische Gutachten der „Autorité de la concurrence“ und das wirtschaftsgeographische Paradigma des „land banking“ – populär oder populistisch klingt anders. Hatte bei der LSAP niemand zur Impfpflicht nachgebohrt, so drehten bei Déi Lénk alle weiteren Fragen der Journalist*innen um die kontroversen Themen Ukraine und Nato. Für ihre fortschrittlichen Forderungen gab es kein Interesse; trösten können sie sich nur damit, dass so die vorangegangene Medienschelte quasi gerechtfertigt wurde.


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