Déi Gréng für Gerechtigkeit: Ja, aber …

„Sozial, ökologisch, generationell“, so soll Gerechtigkeit in den Augen der Grünen ausgestaltet werden. Ein Blick in das diesbezügliche Positionspapier.

Soziales Ungleichgewicht – was tun?
(Wellcome Images; CC BY 4.0)

Sind Déi Gréng die Partei einer Mittelschicht, die zwar in Umweltfragen fortschrittlich denkt, der aber soziale Gerechtigkeit kaum etwas bedeutet? Regelmäßig mit diesem Vorwurf konfrontiert, beteuern die Grünen nicht minder regelmäßig ihr soziales Engagement. Dabei versichern sie oft, soziale und ökologische Ziele seien kein Widerspruch, und schwärmen von Win-win-Strategien. Umso bemerkenswerter, dass es im am vergangenen Freitag vorgestellten Positionspapier von Déi Gréng um soziale Gerechtigkeit an sich geht.

Angekündigt war die Präsentation unter dem etwas vagen Titel „Zesummenhalt brauch Gerechtegkeet“. Im Vorfeld konnte man sich fragen, ob die Grünen etwa ihre Position in Sachen Steuerpolitik vorstellen würden? Immerhin arbeitet die Regierung an einer großen Steuerreform, die Dringlichkeit einer Ökologisierung des Steuersystems angesichts des Klimawandels ist unumstritten und der Vorstoß von Frank Engel hat das Thema Vermögenssteuer auf die politische Agenda gesetzt (online-woxx: Le passe-muraille). Doch Déi Gréng scheinen das Thema Steuerreform nicht direkt angehen zu wollen, jedenfalls stehen im jüngsten Positionspapier andere Aspekte der Gerechtigkeit im Vordergrund.

Rifkin gegen Fage

Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit seien wichtig, reichten aber nicht, so die Grünen. „Wir brauchen ökologische Gerechtigkeit, bei der jene, die viel verschmutzen, auch dafür bezahlen. Wir brauchen Gerechtigkeit zwischen den Generationen.“ Diese Generationengerechtigkeit bezieht sich, anders als in vergangenen, wirtschaftsliberal angehauchten grünen Stellungnahmen, nicht auf die „Rentenmauer“. Es geht um den Erhalt der natürlichen Ressourcen für die künftigen Generationen. Dabei wird aber nicht mit diesen Ressourcen als globale Grundlage menschlichen Lebens und Wirtschaftens argumentiert, sondern vielmehr mit „der Artenvielfalt und der natürlichen Schönheit unseres Landes“, die ohne Schutzmaßnahmen den künftigen Generationen vorenthalten blieben.

Interessanterweise wird auch „die zukünftige Kompetitivität des Standorts Luxemburg“ thematisiert: Hier sprechen sich die Grünen für die Rifkin-Strategie und gegen die Joghurtfabrik Fage aus. Enttäuscht wird allerdings, wer über dieses „lokale Handeln“ – und Denken – hinaus nach „globalem Denken“ sucht. Fragen wie die Nord-Süd-Gerechtigkeit, die für Déi Gréng in der Vergangenheit wichtig waren, finden in diesem Positionspapier keine Erwähnung.

Lokal handeln, lokal denken

Dieses Defizit in Sachen Ganzheitlichkeit ist umso erstaunlicher, als der Gerechtigkeitsbegriff ansonsten in aller Breite dekliniert wird – so ist einer der sechs Punkte im Papier der Gerechtigkeit „vor dem Gesetz“ gewidmet. Das ist durchaus opportun, allerdings drängt sich die Frage auf, ob die Parteigremien mit solchen Positionspapieren nicht vor allem eine Begleitmusik zur Arbeit ihrer Minister*innen beisteuern. Wäre die Nord-Süd-Gerechtigkeit besser weggekommen, wenn die Grünen das Kooperations- statt des Justizministerium besetzten?

Die Gerechtigkeit in Sachen Klima und Wohnen – zwei grüne Ressorts – wird jedenfalls mit viel Engagement behandelt. „Die Klimakrise bekämpfen, heißt, Armut bekämpfen. Es sind die sozial verwundbaren Menschen, die am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden werden, aber am wenigsten über Mittel verfügen, sich umzustellen“ diagnostizieren die Grünen. Und wollen sicherstellen, dass auch diese Menschen die Transition „aktiv mitgestalten“ können.

Auch im Bereich Wohnen werden diese „sozial verwundbaren Menschen“ nicht vergessen: Zwei der vier angeführten öffentlichen Eingriffe in den Wohnungsmarkt betreffen Mieter*innen. Außerdem soll die Grundsteuer reformiert werden, um gegen die Bodenspekulation vorzugehen.

Steuerreform oder -reförmchen?

Das zeigt, dass Diskussionen über Gerechtigkeit schnell in solche über Steuern münden. Das Positionspapier gibt denn auch einen Einblick in die grüne Haltung in diesen Fragen. Der aber fällt etwas enttäuschend aus. Zwar soll die Besteuerung von Immobilienfonds und Stock Options reformiert werden. Ebenfalls liest man zu Erbschafts- und Vermögenssteuer, es gebe keine Tabus … und dann, „dass man bei so einem komplexen Thema nicht aus der Hüfte schießen soll“. Was darauf hinausläuft, dieses Thema auf die übernächste Steuerreform zu verschieben.

Ob auch die –längst überfällige – konsequente CO2-Besteuerung wieder einmal verschoben werden soll, kann man dem Papier nicht entnehmen. Dass in Sachen Mobilität vor allem die Infrastrukturinvestitionen in die öffentlichen Verkehrsmittel als Politik für die Zukunft dargestellt werden, weckt diesen Verdacht. Auch die gut klingende Forderung nach einem „CO2-Preis“ beinhaltet vermutlich den Verzicht auf ein Akzisen- oder CO2-Steuerniveau mit abschreckender Wirkung. Andererseits: Was  bliebe von der Glaubwürdigkeit der Grünen in ökologischen und sozialen Fragen, wenn sie beim Autoverkehr Samthandschuhe überziehen und in anderen Bereichen das Verursacherprinzip mit eiserner Hand durchsetzen würden?

 


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