ECO2050-Abschlusskonferenz: Chancen-Cha-Cha-Cha

Wie kann sich die luxemburgische Wirtschaft im Kontext der Bekämpfung des Klimawandels entwickeln? An den Antworten darauf wird weitergearbeitet, doch andere Fragen sind nicht minder wichtig.

Von grünem Wachstum zu schwärmen ist out, jetzt beginnt das Zeitalter des Öko-Merkantilismus. In Frankreich hat Emmanuel Macron bei seiner Erklärung zur ökologischen Transition am 25. September die „écologie compétitive“ in den Vordergrund gestellt. Tags drauf sollten bei der Abschlusskonferenz des ECO2050-Projekts die „business opportunities“ und Standortvorteile für Luxemburg im Kontext der ökologischen und sozialen Transition herausgearbeitet werden. Der konsequenteste Diskussionsbeitrag in diesem Sinne kam allerdings von der Leiterin des Projekts Pascale Junker persönlich; unterm Strich fügten die zahlreichen anderen Referate und Panels dem kaum etwas Entscheidendes hinzu. Was nicht heißen soll, dass die straff organisierte Veranstaltung von 9 bis 19 Uhr an der Uni Belval umsonst war. An vielseitigen Informationen, aber auch radikalen Denkanstößen und symptomatischen kognitiven Verzerrungen, mangelte es nicht. Und in Bezug auf die anstehenden Wahlen war die Last-Minute-Veranstaltung ebenfalls interessant.

Die Redebeiträge reichten von positiven Handlungsanleitungen für „Circularity and Sufficiency“ (Jelmer Hoogzaad) bis zu einer zynischen Warnung vor der „Exponentiellen Ära“ (Hans van der Loo). Letzterer war es auch, der die Debatte über die politische Handlungsfähigkeit von Demokratien anheizte: Man müsse die Bevölkerung in ihrem eigenen Interesse bevormunden, wie man es mit Kindern tue. Auch Gilles de Margerie, französischer Spitzenfunktionär, plädierte für mehr Durchsetzungsvermögen – was angesichts des umstrittenen Politikstils seines Präsidenten eher nachdenklich stimmt. Franz Fayot schließlich, als Wirtschaftsminister verantwortlich für ECO2050, beklagte die Art und Weise, wie die Politik unter Druck gesetzt werde, nicht nur von populistischen Strömungen, auch von Wirtschaftslobbys. Der nüchterne Stil der Veranstaltung, vergleicht man sie mit den Events von Étienne Schneider, untermauerte die Glaubwürdigkeit von Fayots Anspruch, „Politik über den nächsten Wahltermin hinaus zu machen“.

In den Debatten über die Transition steht häufig die Bifurkation im Mittelpunkt: die Möglichkeit, ein System in einen neuen Zustand zu überführen. Dazu müssen Dimensionen wie die wirtschaftliche, die technologische, die ökologische und die soziale zusammengedacht werden, anders als es bei der Wahlkampagne praktiziert wird (woxx 1753). Auch beim ECO2050 hatte man eher das Gefühl, im Mittelpunkt stehe die Dichotomie von Perspektiven der Profitabilität versus Notwendigkeit von Suffizienz und Systemwechsel. Mehrmals wurde die rezente Einweihung der ersten Wasserstofftankstelle erwähnt, obwohl unklar ist, ob dieser Energieträger für die Transitionen im Verkehrsbereich überhaupt eine Rolle spielen kann. Als Lösung und „business opportunity“ wurde auch die Elektrifizierung des Individualverkehrs gehypt – sie steht aber weniger für Suffizienz als für Systemerhalt. Radwege waren kaum Thema, außer dass gefragt wurde, ob die beim Lockdown eingerichteten Pop-up-Wege wie in Frankreich weiterbestünden. Die Antwort, die niemand geben wollte: In Luxemburg war nichts mit Pop-up-Wegen.

Wer braucht schon Zukunft?

Dass das Land dank Technik und Humankapital auch ohne Radwege für die Transition gut aufgestellt sei, daran wurden keine Zweifel geäußert – eine Frage, auf die wir nächste Woche im Detail eingehen werden. Bemerkenswert war, dass bei der stark von der Wirtschaftslogik geprägten Veranstaltung die Arbeitgeberschaft kaum in Erscheinung trat. Hatte die Wirtschaftslobby seinerzeit noch erfolgreich versucht, die Rifkin-Strategie zu vereinnahmen, so mussten zum Abschluss des ECO2050-Projekts Beamte über die Chancen für den Standort referieren. Nach der Arbeitnehmer- hat wohl auch die Arbeitgeberschaft der Zukunftsagenda und dem neuen Wirtschaftsminister den Rücken zugekehrt und bevorzugt ihre eigenen Veranstaltungen, bei denen dann CSV und auch DP politische Partnerinnen sind.

Beim Hinsehen fiel auf, dass, wie bereits im Juni, kein*e DP-Minister*in zugegen war. Beim genauen Hinhören bemerkte man die politische Nähe zwischen Franz Fayot und Claude Turmes, den Versuch, „die ganze Regierung“ auf eine Nachhaltigkeitslinie festzulegen, aber auch den Seitenhieb des grünen Ministers gegen den wenig nachhaltigen CSV-Slogan der niedrigen Steuern. Doch was wird nach den Wahlen aus ECO2050? Landet der 200-seitige Schlussbericht in der Schublade oder auf einem „Zukunftsdësch“? Lesen kann man ihn hier.

Ein Video der gesamten Veranstaltung und die Slides der Referate sind ebenfalls online verfügbar.

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